Samstag, 9. Juni 2007

Im Ghetto

B"H

In Jerusalem kennen wir sie entweder als Militaerpolizisten (Mishmar HaGvul), Waechter vor oeffentlichen Gebaeuden, Banken und Einkaufszentren oder als Mitglieder von Putzkolonnen in Regierungsgebaeuden. Alles in allem nicht gerade berauschende Jobs. Kaum eine Gruppe ist so schwer in die israelische Gesellschaft einzugliedern wie die aethiopischen Juden.

Jene Aethiopier, die noch in Afrika geboren sind, haben es besonders schwer. Mit dem Hebraeisch tun sie sich schwer und hinzu kommen noch die Mentalitaetsunterschiede. Daheim in Aethiopien war der Mann der Herr im Haus und alles richtete sich nach ihm. In Israel ist alles anders, denn hier sind die Kinder ihren Eltern haushoch ueberlegen. Die neue junge Generation ist es, welche die Sprache beherrscht und ihren Eltern alles erklaeren muss.

Letztens kamen Zweifel auf, ob es ueberhaupt eine gute Idee war, die Aethiopier nach Israel zu holen. Mehr und mehr erweisen sie sich als die israelische "Unterschicht", die in ihren eigenen Ghettos lebt. Ohne Schulbildung haben es die aelteren Aethiopier auf dem Arbeitsmarkt schwer und haengen am sozialen Tropf. Ihre Kinder dagegen sehen israelische Kinder mit teuren Klamotten und Computern. Das haetten sie auch gerne, aber ihre Eltern koennen da nicht mithalten.

Von Beginn an machte die Regierung zusaetzlich noch den Fehler die Aethiopier in Eingliederungszentren zu quetschen. Hier sollten sie sich allmaehlich an ihre neue Umgebung gewoehnen und die Sprache lernen. So kam es, dass viele Aethiopier sich suedlich von Tel Aviv, in Rehovot oder Gedera, ansiedelten. Die vorprogrammierte Ghettobildung.

Seit Monaten wird ausgerechnet die sonst so langweilige Provinzstadt Rehovot zum sozialen Brennpunkt. Vor allem, nachdem vor einer Woche ein 17 - jaehriger Aethiopier von einem 16 - jaehrigen Aethiopier erstochen wurde. Nach dem Mord fiel die Presse in Scharen ein und interviewte den Vater des Opfers. Der jedoch wiegelte ab. Alle kommen immer nur dann, wenn jemand ermordet wird, doch in Rehovot ist die Gewalt seit Jahren allgegenwaertig.

Als ich das letzte Mal in Rehovot war, da war es ein Provinznest, in dem es nichts zum unternehmen gab. Die Hauptstrasse, Rehov Herzl, bietet ein paar Cafes und das wars. Kurz darauf wurde gleich daneben der riesige neue Busbahnhof gebaut.
Mittlerweile hat sich Rehovot vollkommen veraendert. Neue Stadtteile wurden gebaut und immer mehr Neureiche lassen sich nieder. Die High - Tech Generation aus den umliegenden High - Tech Zentren in Rishon LeZion und Nes Ziona lassen sich nieder. Villen werden gebaut und reiche verwoehnte Teenies laufen mit teuren Designerklamotten herum. Die Mittelschicht lebt geographisch gesehen genau zwischen Kiryat Moshe, dem Stadtteil der Aethiopier und Neve Amit, dem Viertel der Reichen.

Inzwischen hat Rehovot 115.000 Einwohner, von denen 9000 Aethiopier und 22.000 Russen sind. Beruehmt ist die Stadt fuer das Weizman - Institut, wo Landwirdschaft studiert wird. Andere hingegen studieren Kernphysik. Hier die Welt der Akademiker und dort die Welt der Ghettogangs aus Aethiopien. Gleich gegenueber der Bilu - Kreuzung befinden sich die heruntergekommenen Wohnblocks der Aethiopier. Seit dem Mord lassen die Muetter ihre Kinder aus Angst kaum noch aus dem Haus. Es herrscht das grosse Schweigen, denn jeder koennte der naechste sein.

Nachts versammeln sich die Jugendgangs vor Kiosken in der Innenstadt, um sich mit billigem Fusel zuzuschuetten. Ab und an wird aus lauter Frust auch schon einmal ein Auto abgefackelt. Die Rehov Herzl wird nachts zum Chaos. Um die Uni und die Viertel der Reichen herum bemerkt man von dem Brennpunkt nichts. Die Polizei ist machtlos. Alkohol an Minderjaehrige zu verkaufen ist zwar strafbar, doch woher die Gangs im Endeffekt ihren Alk kriegen, kann nicht nachgewiesen werden. Und torkeln sie ersteinmal durch die Innenstadt, kann die Polizei nur bei gewalttaetigen Vergehen einschreiten.

Sozialarbeitern fehlt das Geld, denn im Sozialbereich wird gespart. Einige aethiopische Eltern meinen, dass sich ihre Kinder bessern, wenn sie zur Armee eingezogen werden. Aber ohne Schulbildung ist es auch in der Armee nicht weit her. Die Tageszeitung MAARIV berichtet von einem jungen aethiopischen Soldaten der Golani - Eliteeinheit, der sich hatte vom Militaerdienst freistellen lassen wollte. Seine Begruendung war, dass man ihn zuhause brauche um die Familie zu ernaehren. Seine Vorgesetzten hoerten nicht hin und schliesslich floh der Soldat von seiner Einheit. Nun droht ihm Militaerhaft, sobald er geschnappt wird.

Die Bewohner Rehovots sehen der Zukunft ihrer Stadt mit gemischten Gefuehlen entgegen. Die Reichen werden immer mehr und schotten sich ab und fuer die Armen gibt es kein Entkommen aus dem Teufelskreis.

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