Mittwoch, 17. Oktober 2007

Jerusalem wohin ?

B"H

Außenministerin Zipi Livni ist bei Condoleeca Rice in Washington, auf fast allen TV - Kanälen spekulieren Journalisten über das Schicksal der gekidnappten israelischen Soldaten Ron Arad, Eldad Regev, Ehud Goldwasser sowie Gilad Shalit und die sephardisch - haredische SHASS - Partei ließ verlauten, daß sie sie als einzige religiöse Partei der geplanten "Israelischen Verfassung" zustimmen werde. Israel ist nämlich eines der wenigen Länder auf der Welt, welches keine schriftlich festgelegte Verfassung hat, sondern bisher entschied immer der Oberste Gerichtshof bei Grundfragen.

Die gestrige Rede von Hassan Nasrallah bezüglich der gekidnappten Soldaten lenkte ab von einem Thema, daß in der Bevölkerung noch nicht so richtig wahrgenommen wird. Anscheinend auch nicht von der Opposition, denn Benjamin Netanyahu hüllt sich in Schweigen.

Bei einem Gipfel im nächsten Monat soll verhandelt werden und es geht um die Teilung Jerusalems. Die Teilung Berlins war bis zum Mauerfall eine klar geregelte Sache: Wir hier und Ihr dort. Die Mauer zog die Trennlinie.

In Jerusalem jedoch ist das alles nicht so klar, denn wir sind nicht hier und die Palästinenser dort, sondern alle sind irgendwie überall. Wer, zum Beispiel, in den Stadtteil Gilo, der auf einem Hügel unweit der Eisenbahnstation am Einkaufsparadies Malcha liegt, fahren will, der muß zuerst das paläst. Dorf Beit Zafafah durchqueren. Das gleiche gilt für weitere jüdische Stadtteile wie Givat Zeev, Pisgat Zeev oder Neve Yaakov.
Bei einer Teilung müssten die Bewohner und Besucher mehrere Checkpoints durchlaufen. Und das innerhalb einer Stadt. Eine weitere ungeklärte Frage ist die Sicherheit. Sollten dann etwa wieder Schüsse von Beit Jalla auf Gilo abgegeben werden oder sollte Beit Chaninah auf Pisgat Zeev oder Neve Yaakov feuern ?

Eines ist immerhin sicher; Abu Mazen hätte nur wenig Kontrolle und demnächst könnte am Checkpoint eine Hamas - Abordnung stehen und auf alles feuern, was sich bewegt. Im paläst. Dorf Silwan, unweit der Klagemauer (Kotel), zeigt man sich wenig erfreut. Viele Bewohner geben zu, sich an die israel. Armeepolizei Mishmar HaGvul gewöhnt zu haben und man will keinesfalls zukünftig die Terroristenvereinigung Tanzim patroullieren sehen. Wer weiß, was uns dann blüht, so die Bewohner.

Die Zeitung HAARETZ weist in ihrer heutigen Ausgabe auf einen wichtigen Punkt hin. Alle sprechen von der Teilung, doch sind wir nicht längst schon geteilt ? Und zwar in vielerlei Hinsicht ?
Da sind die relig. Stadtteile auf der einen Seite. Aber nicht nur das, denn es gibt nationalrelig. Stadtteile genauso wie haredische (ultra- orthod.) Stadtteile. Nicht auszulassen die paläst. Stadtteile incl. Ost - Jerusalem und auch nicht zu vergessen jene Stadtteile der ökonomisch besser gestellten Bevölkerung und eben die anderen. Die anderen sind die, naja, in Deutschland liebt man jetzt das Wort "Unterschicht". Also, die Wohngebiete der Unterschicht. Alles andere liegt so dazwischen.

Was verbindet mich heutzutage mit Ost - Jerusalem ? Die Antwort lautet: Nichts.
Auf meinem Weg zur Kotel (Klagemauer) gehe ich durch das Yaffa - Tor, weil es dort noch am sichersten ist. Es sei denn, man fährt mit dem Bus, aber selbst dort wurden wir in der Linie 2 am Damaskus - Tor schon gesteinigt. Plötzlich knallten zwei Steine gegen die Plastikfenster und der Busfahrer fuhr unbeirrt weiter. Nur nicht anhalten und noch mehr abbekommen.
Die Gegend um das Yaffa - Tor ist mein einziger Bezug zu Ost - Jerusalem, wenn man die Gegend denn so nennen kann. Falls ich am Shabbat früh zur Kotel gehe und am G - ttesdienst von Rabbi Mordechai Machlis teilnehme, passieren wir auf dem Rückweg zu seinem Haus das arab. Viertel in Richtung Damaskus - Tor. Ich könnte mich nicht unwohler fühlen, denn immer wieder folgen uns böse Blicke oder wir werden angerempelt. Immer müssen wir aufpassen, daß niemand aus der Gruppe in den engen stark bevölkerten Gassen verloren geht.

Am Damaskus - Tor selbst herrscht Chaos, denn die Samstage (Shabbat) werden von den Palästinensern dazu genutzt, illegal ihre Ware an den Mann zu bringen. Das israel. Rathaus ist geschlossen und somit gibt es keine Gewerbekontrollen. Der illegale Handel von allem möglichen Ramsch blüht.

Zu Tempelzeiten und auch noch zur späteren Zeit der römischen Besatzung war die Strasse vom Damaskus - Tor bis hin zum Cardo im Jüdischen Viertel eine einzige belebte Fußgängerzone. Wer genau hinschaut, der kann heute noch die Reste erkennen. Gleich links neben dem Damaskus - Tor befindet sich etwas tiefer der einstige Eingang in das eigentliche Jerusalem. Wie war das nochmal, es hätte zur antiken Zeit keinen Tempel und keine Juden gegeben, wie es so gerne von paläst. Seite behauptet wird ?

Vielleicht haben die wenigsten Jerusalemer einen wahren Bezug zu Ost - Jerusalem, trotzdem muß die Stadt unteilbar bleiben. Nur, weil die Mehrheit der Bevölkerung Palästinenser sind, muß noch lange keine Stadt geteilt werden. Oder warum gibt Berlin dem Stadtteil Kreuzberg keine türkische Autonomie ? Oder Nürnberg dem Stadtteil Gostenhof oder erklärt die Stadt Fürth zu Istanbul ?
Natürlich ist Jerusalem nicht vergleichbar mit Berlin, Nürnberg oder Fürth, aber die Problemstellung wäre die gleiche. Beim Gedanken an Jerusalem ist es Pflicht, sich den besonderen Status der Stadt klar zumachen. Eine der ältesten Städte und von G - tt gegeben an das jüdische Volk. Jerusalem ist weder in der Thora noch im Koran erwähnt, doch anscheinend will jeder sein kleines Stück Jerusalem besitzen.

Obwohl es nicht in der Thora erwähnt wird, eroberte König David die Stadt und KAUFTE sogar Grund und Boden später von den Jebusitern. Er KAUFTE es für die Juden. Ganz zu schweigen von beiden Tempeln, die dort standen und G - ttes Presenz, der Shechinah. Der Tempelberg spielte schon zu frühester Zeit eine wichtige Rolle. So heißt es, daß Adam und Chava (Eva) nach ihrem Rausschmiss aus dem Paradies dort siedelten und später wollte genau dort Avraham seinen Sohn Yitzchak opfern. Weiterhin hat der Tempelberg wichtige kabbalistische Funktionen.

Jerusalem ist auch ohne eine offizielle jüdisch - palästinensische Teilung schon mehr als genug zerrissen. Okay, mit den Palästinenser hat kaum jemand etwas privat zu tun. Aber was ist mit der jüdisch religiösen Zerrissenheit und dem Gegensatz von Arm und Reich ?

Für unsere eigenen innerjüdischen (israelischen) Probleme haben wir noch keine Lösung gefunden und der derzeitige Bürgermeister Uri Lupolianski ist gänzlich unfähig. Selbst unser vorheriger Bürgermeister Olmert will uns einfach offiziell teilen.

Auf was die West - Jerusalemer jedoch stolz sein können sind der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft. Und hier gibt es kaum einen Unterschied zwischen Arm und Reich oder religiös. Jerusalem mußte schon immer mit einer Geschichte zurecht kommen, die keine andere Stadt je bewältigt hätte. Eine erneute Teilung könnten wir bewältigen, doch wären die Opfer (im wahrsten Sinne des Wortes) viel zu hoch.

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