Mittwoch, 31. Oktober 2007

Untauglichkeit als Modeerscheinung

B"H

Relativ neu ist die Masche, den Armeedienst möglichst als Untauglicher schnell und schmerzlos über die Bühne zu bringen. Wer den Pflichtdienst in Israel verweigert, muß mit Konsequenzen rechnen, vor allem im späteren Berufsleben. Und genau dieses Risiko will niemand unbedingt auf sich nehmen und da ist die "Untauglichkeit" geradezu in Mode gekommen. Es wird bei der Musterung geschummelt, sodaß es schon auffällt. Natürlich auch der Presse.

Vor ein paar Jahren war es aufgrund der "Schinui - Partei" in Mode gekommen, Haredim (Ultra – Orthod.) anzugreifen, da diese nicht zur Armee gehen. Schinui ist schon lange in der Parteiversenkung verschwunden und niemand vermißt die Partei, die nur ein Ziel hatte: der jüdischen Religion in Israel den Gar auszumachen.

In den 50iger Jahren schloß der damalige Ministerpräsident David Ben Gurion ein Abkommen mit den Haredim, welches sie vom Wehrdienst befreite. Zyniker sind der Meinung, daß Ben Gurion ohne Bedenken zustimmte, denn es gab in Israel kaum Haredim.
In unserer heutigen Zeit aber ist deren Bevölkerungsanteil drastisch angestiegen, was sich in den kommenden Jahren noch fortsetzen wird. Viele Soldaten schauen daher schäl auf ihre haredischen Altergenossen, die vom Armeedienst befreit sind.
Manche meinen sogar, billige Kommentare über ihren Unmut gegen die Haredim abgeben zu müssen, kennen sich jedoch in der haredischen Gesellschaft nicht aus. Geschweige denn, daß sie einmal mit den Haredim selbst über dieses Thema diskutierten. Und so werden uns stereotype Meinungen über eine Gesellschaft, die sich oft nicht wehren kann, um die Ohren gehauen.

Wer sich dagegen eingehend mit der haredischen Gesellschaft befaßt, der wird sehen, daß es um mehr geht als nur stereotype Meinungen. Des weiteren geht ein gewisser Prozentsatz von ihnen zur eigenen Armeeeinheit, der Nachal HaCharedi.

Zuerst einmal ist es in Israel Gesetz, daß jemand der zum Zeitpunkt der Pflichtwehrzeit von 18 Jahren verheiratet ist, NICHT zur Armee eingezogen werden muß. Ich habe genügend unrelig. Israelis erlebt, die ebenso unter diese Sparte fallen.
Haredim selbstverständlich beherrschen diese Sparte, denn in ihrer Gesellschaft gelten andere Regeln. Zum Beispiel wird früh geheiratet. Man ist in der Gesellschaft strikt darauf bedacht, keine unnötigen internen Verhaltensregeln zu brechen, denn dies bedeutet oftmals das AUS jeglicher Anerkennung. Und somit ist es wichtig, die haredische Gesellschaft von innen heraus zu betrachten, um diverse Gründe für dieses oder jenes Verhalten beurteilen zu können.

In der haredischen Gesellschaft geht es um mehr, denn es gilt das interne Verhaltensmuster einzuhalten. Wer gegen die Muster verstößt, ist ein Aussätziger. Das macht sich so bemerkbar, daß die Kinder nicht mehr auf gute Schulen zugelassen werden, Freunde und Nachbarn sich abwenden oder keine guten Schidduchim (Ehepartner) mehr gefunden werden usw. Kein Haredi wird das Risiko eingehen, aus einer vielseits geschlossenen Gesellschaft ausgestossen zu werden, denn er hat keine andere Zuflucht.

Viele Rabbiner lehnen den Armeedienst aus unterschiedlichen Gründen ab. Die Ansicht kommt immer auf die Einstellung des jeweiligen Rabbiners an. Andererseits gibt es sehr viele Haredim, die gerne zur Armee gehen würden, wenn denn ihr Rabbi zustimme. Bestes Beispiel sind die sephardisch – haredischen Haredim. Aber da man strenge Repressalien befürchtet, wird eben auf den Dienst an der Waffe lieber verzichtet.

Nun gibt es aber doch berühmte Beispiele, wo sogar junge Männer chassidischer Gruppen zur Armee gingen. Bestes Beispiel ist ein Soldat, der ursprünglich Mitglieder der chassidischen Toldot Aharon ist. Wurde er ausgestossen ?
Nein, denn deren Rebbe, Rabbi David Kahn, entschied anders.

Und warum gehen dann nicht alle zur Armee ?
Eben weil es intern doch Repressalien gibt. Der schlechtere Schidduch, zum Beispiel.

Oberflächlich betrachtet kann man diese Gründe als nichtssagend abtun. Innerhalb der haredischen Gesellschaft jedoch spielen sie eine immens wichtige Rolle und jeder, der einmal ausgiebig mit ihnen sprach, wird dies bestätigen können.

Und wie schaut es bei den Nationalreligiösen aus ?
Dort gehen die Männer zur Armee, die Frauen allerdings nicht. Für Frauen gilt der Zivildienst, dem sogenannten "Sherut Le'umi", über den ich einen extra Artikel plane, da mich mit vielen Mitgliedern unterhalten habe.

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