Montag, 12. November 2007

Akademikerleben nach Titeln

B"H

Sicher ist es überall so auf der Welt und nicht nur an der Hebrew University in Jerusalem. Wer mit Uniprofessoren in Kontakt kommt, wird danach gerichtet, ob er entweder selbst akademische Titel vorweisen kann oder sich mindestens inmitten einer Doktorarbeit befindet.

Nicht, dass ich die Kompetenz habe, für alle Fachrichtungen sprechen zu können, doch bei der "Akademia der jüdischen Religion" geht es schon recht seltsam zu. Jedenfalls meinen Erlebnissen zufolge.

Wie wahrscheinlich überall berichten sich die Profs gegenseitig von ihren allerneuesten Artikeln oder Bücher, die sie verfasst haben. Natürlich immer mit dem Unterton "mein Buch ist besser als Deines oder jedes andere". Und wer einen Artikel in einer wichtigen akademischen Zeitung verfasst, der ist erst einmal Stunden damit beschäftigt, durch das Gebäude zu zockeln und es auch ja jedem mitzuteilen.

Bei der Chassidut schaut es noch finsterer aus. Da wird diskutiert, welches Buch in welchem Jahr erschien und wie es geschrieben ist. Seltsam, denn ich schau auf den Inhalt eines Autors und nicht unbedingt, ob es die älteste Ausgabe ist. Wobei es hier keinesfalls um die Chassidim selber geht, sondern um andere Autoren (Harvard usw.), welche Bücher über die Geschichte des Chassidismus schrieben.

Immer wieder fällt mir auf, dass die Profs Ewigkeiten diskutieren, doch mit den chassidischen Gruppen selbst spricht niemand. Neulich sass eine Professorin neben mir und suchte verzweifelt in ihren Notizen. Ich kam mit ihr ins Gespräch und es stellte sich heraus, dass sie über die chassidische Gruppe Gur schreibt. Kein Problem, meinte ich, ich gebe Dir eine Adresse und dann unterhalte Dich mit ihnen. Die Prof schaute mich entgeistert an und meinte: "Nee, sie hätte doch Bücher." Ich fiel fast vom Stuhl. Da schreibt ein Autor vom anderen ab und vor Ort war keiner.

Die Mehrheit der Profs lehrt jüdische Geschichte und jeder meint, seinen Senf dazuschreiben bzw. abschreiben zu müssen.
Dann gibt es die Talmudleute, die zwar die Grammatik des jeweiligen Aramäisch deuten können, aber den Inhalt der Sugia (Gemaraabschnitt) nicht kapieren und dann gibt es diejenigen, die auf und ab laufen, aber im Grunde genommen selbst nicht wissen, warum sie einen Lehr (Leer) stuhl haben. Ist ja auch egal, wenn man schon zwei Titel (für was eigentlich?) und ein Monatsgehalt von 12.000 Shekel (etwas mehr als 2000 Euro) hat.

Die Professoren mit dem "Leerstuhl" bleiben uns erhalten und jene mit einem richtigen "Lehrstuhl" bekommen Angebote aus den USA und wandern ab. Und wer sich nicht im Internet umschaut, dem bleibt nichts anderes übrig als die Artikel der Leerprofessoren zu lesen.

Wenn ich Fragen habe, dann wende ich mich immer noch an diverse Rabbis oder relig. Institute bevor ich mich an jemanden "Leeres" wende.

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