Dienstag, 18. März 2008

Klangzone Ben Yehudah

B"H

Unsere offizielle Fußgängerzone "Ben Yehudah" in der Innenstadt ist nicht besonders lang und schon lange nicht mehr das, was man IN nennt. "In" war sie einmal, aber das ist lange her. Vor dem Zweiten Weltkrieg, danach, bis hinein in die Neunziger vielleicht. Am Ende war sie ausgestorben, denn die Leute trauten sich aufgrund der ständigen Bombenattentate nicht mehr in die unbewachte City. Man zog die großen Shopping - Malls etwas außerhalb in Talpiot, Malcha oder Pisgat Ze'ev vor. Da war man wenigstens beschützt und kein Selbstmordattentäter überraschte einen im Einkaufsparadies.

Die Ben Yehudah



Außerdem lieben die Israelis es, alle Produkte incl. Kino zusammen unter einem Dach zu haben, anstatt wild herumzusuchen. Vor allem nach Parkplätzen, welche die Innenstadt kaum bietet.

Innerhalb der letzten Jahre jedoch erholte sich die Ben Yehudah wieder und ich frage mich warum ? Was gibt es dort Besonderes außer einer viel zu teuren Falafel - bzw. Schwarma (Döner) - Bude und den Touristenläden mit "I love Jerusalem" - T - Shirts oder anderem Kitsch ? Vielleicht wollen ja alle den Messias sehen, der auf großen Plakaten in der Ben Yehudah Nummer 5 von den Häuserwänden herablächelt ? Eine Etage in der Ben Yehudah Nr. 5 gehört der chassidischen Gruppe Chabad (Lubawitsch) und ausgerechnet jenen, die sich innerhalb der Gruppe "Meschichisten" nennen und den letzten Lubawitscher Rebben Menachem Mendel Schneerson als den "wahren ?" Messias sehen. Eine Touristenattraktion sind die Poster allemal.

Ben Yehudah Nr. 5 mit Messias - Postern. Allerdings sind die Poster im 1. Stock auf diesem Photo leider nicht zu sehen.



Prangt auf allen Poster: Rebbe Menachem Mendel Schneerson



Insgesamt hat die Ben Yehudah gar nichts oder nur wenig zu bieten und wer sich besser in der Stadt auskennt, der schaut sich anderweitig um. In der "German Colony" zum Beispiel oder sogar nahe der Ben Yehudah; in der Hillel, Schammai oder in der Rivlin Street.

Angela Merkels Besuch ist geprägt von frühlingshaftem Wetter um die 20 Grad. Gestern zeigte das Olmert - Office ausreichend deutsche Flagge und deutsche Generäle auf dem Hinterhof. Die Szene ähnelte einer neuen deutschen Besatzung, bei der nur noch die Panzer fehlten. Aber Ehud Olmert gestattet der Kanzlerin alles und befindet sich in höchster Schleimlaune.

Heute nun darf Angela Merkel vor der Knesset reden und wie immer, wenn die deutsche Sprache erklingt, verlassen mehrere Abgeordnete den Sitzungssaal. Wie sich die Kanzlerin da wohl fühlt, wenn der Rechtspolitiker Aryeh Eldad geht, da er seine Verwandten im Holocaust verloren hatte ? Sieht man heutzutage über soetwas drüber hinweg und legt richtig auf Deutsch los ?
In den Schlagzeilen ist sie nicht, die Kanzlerin. Die Zeitung MAARIV widmet ihr einen kleinen Artikel auf Seite 7 und "Yediot Acharonot" gar erst auf Seite 13.

Dafür war in der Ben Yehudah gestern Abend umso mehr los. Erstaunt war ich über die vielen christlichen Touristen incl. Nonnenbegleitung, die da herumstapften. Dass diese Woche Ostern ist, war mir unbekannt. Gut, dass ich an Purim nicht in die Altstadt gehe, sonst würde ich wieder von sämtlichen Kreuzzügen begleitet werden. Sonntag Abend werden die Touris samt Kreuz hoffentlich wieder weg sein.



Gewöhnlich reicht ein schneller Gang durch die Ben Yehudah, wie die Touristen es gestern taten. Aber ausgerechnet am gestrigen Abend war alles etwas anders. Das angenehme warme Wetter lockte israel. Nachtschwärmer an und so ging das Softeis weg, wie warme Semmeln. Gleich gegenüber vom Softeis stellte sich eine amerikanische Sängerin auf. Mit Mikrofon und kleinem Lautsprecher. Sie sang und alles lauschte. Ein sephardischer Haredi (Ultra - Orthod.), der vor mir stand, drehte sich um und meinte zu mir: "Mann, die kann ja echt singen." Von der Sängerin profitierten letztendlich auch der Softeisstand sowie die Schwarmabude. Alles kaufte und hockte sich neben die Sängerin, die schon manchmal am Rande des Nervenzusammenbruchs stand. Ein paar argentinische Neueinwanderer nahmen ihr später das Mikrofon ab als sie einen "Shakira - Song" trällern wollte. Die Argentinier meisterten den Song lieber im spanischen Original.



Weiter oben, in einer Seitengasse der Ben Yehudah dröhnte Trans - Music. Auf Deutsch nennt man das wohl Techno ?
Ein DJ hatte sich aufgestellt und verglichen mit der romantischen Sängerin klang der Trans wie eine alte quietschende Maschine. Ganz unten sah man einen weiteren Sänger; ein älterer Amerikaner, der auf alte Fred Astaire Schule machte. Ganze drei Zuschauer lockte er an und alle anderen wollten nur schnell weg, um sein Geleier nicht mit anhören zu müssen.

Dazu spielte etwas weiter oben, nicht weit vom Trans eine Harfenspielerin. Seit Jahren sitzt sie immer am gleichen Fleck und zupft. Einmal sprach ich mit ihr und sie berichtete, dass sie Amerikanerin sei und mit Harfe und Klarinette ihr Business betreibe. Von etwas muß man ja schließlich leben.



Und was erzählt Angela Merkel in Deutschland von ihrem Israeltrip ? Wo war sie ?

4 Kommentare:

  1. hallo miriam,

    danke fuer diesen tollen bericht. ich bekomme gleich wieder reiselust :-)

    ich habe mir erlaubt in meinem blogg auf den beitrag hinzweisen.

    http://grenzgaenge.wordpress.com/2008/03/18/ben-yehuda-jerusalem/

    herzliche gruesse,
    grenzgaenger

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  2. B"H

    Du und Deine Reiselust.:-))))

    Uebrigens bin ich noch nicht dazu gekommen, Deine Mail zu beantworten.

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  3. Hallo Miriam,

    Sie schreiben ja auch auf Deutsch, sozusagen in der "Sprache der Täter"?! Erstaunlich ist, dass doch auch nach der Shoa viele Opfer deutsch geschrieben und gesprochen haben. Deutsch ist also auch die "Sprache der Opfer". Großartige jüdische Dichterinnen und Dichter prägen auch die deutschsprachige Dichtung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ich glaube, dass zum Beispiel ihre Lyrik abgewertet und verkannt wird, wenn Deutsch darauf reduziert wird "Sprache der Täter" zu sein. Ich finde es richtig, das Angela Merkel - deren politische Parteigängerin oder Anhängerin ich wahrlich nicht bin - vor dem israelischen Parlament auf Deutsch spricht. Es gibt immer und überall Hardliner - ich zweifle daran, ob die erwähnten Abgeordneten gekommen wären, hätte Merkel Russisch oder Englisch gesprochen. Sie wäre ja nach wie vor die deutsche Regierungschefin gewesen - nach der Schoa geboren wie die Mehrheit der christlichen, jüdischen, muslimischen, atheistischen oder sonstwasgläubigen Deutschen.

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  4. B"H

    Vorgestern unterhielt ich mich mit einem aelteren Israeli, der urspruenglich aus Rumaenien einwanderte.
    Er sagte mir, dass DEUTSCH nicht nur den Hang zur Nazisprache hat, sondern auch zu Schiller, Lessing oder Goethe. Und deswegen solle Angela Merkel auf Deutsch reden.

    Meiner Meinung jedoch muss dies nicht ausgerechnet in der Knesset oder im Holocaust - Museum Yad Vashem geschehen. Viele verbinden Deutsch nun einmal mit dem Dritten Reich und gerade Merkel & Olmert sollten darauf Ruecksicht nehmen.

    Viele Opfer schrieben nach wie vor Deutsch, doch lernte ich viele kennen, die dies sofort einstellten. Nicht nur in Israel, sondern auch in London traf ich ehemalige dt. Juden, die mit D nichts mehr zu tun haben wollten.
    Und viele Juden, selbst juengere, kaufen bis heute keine dt. Produkte.

    Man kann es drehen und wenden, jeder hat seine Meinung. Dennoch haette ich von Seiten der Bundesregierung mehr Respekt erwartet.

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