Mittwoch, 14. Mai 2008

Der kleine - große Unterschied

B"H

Was ich zuvor einmal nie für möglich gehalten hätte, so langsam gewöhne ich mich an Tel Aviv. Wobei ich natürlich betonen will, dass mein Herz immer noch dem Jerusalemer Lokalpatriotismus gehört. Wenn mir auch das gestrige Fußballspiel und der neue Pokalsieger Beitar Yerushalaim total egal sind.
Jaja, es geht halt nichts über die deutsche Bundesliga.

Einen Fußballclub wie Beitar, der von einem Kriminellen wie dem russ. - israel. Miliardär Arkadi Gaydamak aufgekauft wurde, kann und will ich nicht unterstützen. Aber das große Fußballauge schaut natürlich immer nach Tel Aviv zu den Clubrivalen Hapoel und Maccabi. Ups, heißt Maccabi nicht jetzt "Elektra" oder so ? Und wer sponsort da wieder wen ? Die fußballerischen Feindschaften kann man vergleichen mit den deutschen Zuständen zwischen Bayern München und Werder Bremen.

Aber zwischen den Städten Tel Aviv und Jerusalem geht es nicht nur darum, wer der Bessere in der 1. Liga ist. Beide Städte sind völlig unterschiedlichen Charakters und ihre Bürger unterschätzen sich leider gegenseitig viel zu oft. Da tun, zum Beispiel, die Jerusalemer Religiösen die Tel Aviver als unreie Säkulere ab, die nur ihren linken politischen Zielen folgen. Die Religion und das Schicksal Jerusalems sei denen doch absolut egal, wenn sie nur in Ruhe in Montefiori, Sheinkin oder der Dizengoff im Cafe hocken können. Ganz eindeutig sind die Tel Aviver von anderer Mentalität geprägt, aber so gleichgültig sind viele nun auch wieder nicht. Jerusalem ist die Heilige Stadt, aber, naja, sie ist halt weit weg.
Wenn auch nur 50 km.

Spirituell hingegen mag sie Tausende Kilometer entfernt sein und auch wieder nicht. Kurz gesagt, man findet in Tel Aviv alle nur erdenklichen Ansichten und Leute. Und genau diese Viefalt ist es, die Tel Aviv multikulti macht. Alles ist irgendwie erlaubt und keiner fällt schon mehr auf. Grüne Haare, rose Haare, was soll's ?
In Jerusalem dagegen schaut man schon darauf, dass alles seine Ordnung hat und grüne Haare im Machane Yehudah Markt ? Eher wohl an Purim.

Ohne Zweifel ist Tel Aviv offener; und das in jeder Hinsicht. "Die Stadt ist wie New York", sagte mir vor ein paar Tagen ein Amerikaner. Und auch die Palästinenser sehen sich lieber auf Ausflügen in "TA" als in Jerusalem. Neulich sagte mir ein junger Palästinenser, dessen Mutter Jüdin und der Vater Moslem ist, dass Tel Aviv ein Ort ist, an dem er sich frei bewegen kann. Nix da mit ständiger Polizeikontrolle und so. In Jerusalem habe doch jeder Polizist seine eigene kleine Polizistenwelt errichtet. "Sagste was, sitzte sofort im Knast, nur weil sich irgendein Heini sofort beleidigt und angegriffen fühlt". In Tel Aviv hingegen läßt man alle mehr oder weniger in Ruhe walten und selbst in den Carmel - Market kann jeder unbehelligt eintauchen, ohne sich von oben bis unten filzen lassen zu müssen, wie im Jerusalemer Machane Yehudah.

Ob jemand diese oder jene Stadt mag oder vielleicht beide Städte, kommt auf die eigene Mentalität an. Manchmal bin ich froh, in Jerusalem zu sitzen und dann wieder lieber in Tel Aviv. Gestern Abend ist es mir in Jerusalem zum ersten Mal passiert, dass ich "TA" vermisste. Oh je, welch Schande für einen Jerusalemer.
Optisch gibt es genügend unterschiede. Jerusalem ist halt antik und den Stil will man bewahren. Selbst mit dem neuen häßlichen Brückenmonster bei der Stadteinfahrt aus Richtung "TA". Jerusalem ist gemächlich, keine Ex und Hopp - Stadt und schon gar keine High - Tech - Trabantenstadt, in der sich die Firmen anhand von Bürotürmen repräsentieren müssen.

In Jerusalem sind Jobs rar und wer etwas auf sich hält, der zieht in die "Mercaz - Gegend (Großraum Tel Aviv). Das Jobangebot ist vielseitig und die Gehälter liegen höher. So verdienst beispielsweise eine Sekretärin in Jerusalem um die 4000 Shekel (800 Euro) monatlich. Ihr Tel Aviver Gegenpart bekommt für die gleiche Arbeit 7000 - 8000 Shekel (1400 - 1500 Euro). Klar, sind die Mieten in "TA" eine einzige Katastrophe und die Lebenshaltungskosten erst. Wer sparen will, der erledige seine Einkäufe auf dem Carmel - Market an der Allenby. Doch auch Jerusalem ist nicht mehr so billig, wie es einmal war. Das Problem ist, dass gerade dort die Preise, aber nicht die Gehälter steigen.

Die Wohnungssuche ist in beiden Städten chaotisch und ich will nicht beurteilen, wo es besser ist. Alles ist kompliziert und benötigt Zeit und Geduld. Auf alle Fälle sollte man niemals auf die erstbeste Gelegenheit springen, sondern abwarten. Das beste Rezept ist eh, sich nicht an die Zeitungsinserate zu halten, sondern sich privat unter der Hand umzuhören.

Die Mentalität ist unterschiedlich, die Preise und Jobs, was noch ?
Ganz klar, das Wetter. Tel Aviv hat Strand, Sonne und Meer und wer in Jerusalem aus dem Bus steigt, muß sich nicht selten erst einmal eine Jacke überwerfen. Ich zumindest tue das.

Wie gesagt, beide Städte sind Geschmackssache und gewöhnungsbedürftig. Dennoch bewahren sie sich ihren einzigartigen Charakter und wer einen Wechsel braucht, der begebe sich in beide Orte und geniesse.

Sorry, an all jene, die in Haifa und Umgebung wohnen. Viele sagen: "Leute zieht nach Haifa, da ist alles erschwinglich und nett". Stimmt das ?

Nur hat Haifa den Nachteil, ewig weit weg zu sein. Ich liebe den Mittelpunkt und will nicht in der Pampa enden. Tue ich damit Haifa jetzt Unrecht ?

2 Kommentare:

  1. Haifa selbst kann ich nicht so viel abgewinnen. Aber die vielen kleinen netten Ortschaften im Carmel sind sehr schoen und nicht selten ist hier halb Tel Aviv an den Wochenende unterwegs.

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  2. B"H

    Das Einzige, was ich immer hoere ist, dass in Haifa die Mieten so billig sein sollen. 500 $ fuer drei Zimmer und so.

    Aber die Stadt an sich waere mir zuviel. Busse am Schabbat und noch dazu die hohe Anzahl der Russen....

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