Montag, 5. Mai 2008

Jerusalem sucht den Superstar

B"H

Neuerdings scheint sich eine vollkommen naturelle Methode "Wie werde ich berühmt" entwickelt zu haben. Myspace und sogar Facebook spielen eine immer geringere Rolle, wenn es da heißt: "Ich trete lieber live auf und schaue dem Publikum ins Auge. Und Bargeld gibt es noch dazu."

In der Jerusalemer Fußgängerzone Ben Yehudah spielt sich an warmen Frühlingsabenden immer das gleiche Schauspiel ab. Sogenannte Künstler kommen an, bauen ihre Bühne - sprich Mikrofon samt Lautsprecher - auf und beginnen loszuträllern. Manche sind sogar äußerst begabt, wie die amerikanische Sängerin, die jetzt wieder singt, nachdem sie an den Pessach - Zwischenfeiertagen von Chabad unsanft aus dem Rennen geworfen worden war.

Nun nimmt sie eine andere Position, ein paar Meter weiter - unter Chabad und neben dem Schwarma - Stand (Döner) ein. Mit frischer Dauerwelle gibt sie wieder Lieder von Celine Dion und vielen anderen Sängerinnen zum Besten. Etwas unbeholfen steht sie da und hätte sie kein Talent, dann hätte ich unendliches Mitleid mit ihr.
Nennt man das heute Schüchternheit oder Geschäftsbeflissenheit ?

Meistens immer donnerstags gibt es eine weitere Attraktion und diese störte in der vergangenen Woche sogar besagte Sängerin. In einer gleich um die Ecke gelegenen Nebenstrasse gab es eine Breakdance - Show. Rap - Music oder halt Breakdance - Music dröhnte aus allen Lautsprechern. Dazu breakdanceten diverse junge israelische Typen. Alles sah so laienhaft aus, aber die Veranstaltung war durchaus organisiert.

Neben laienhaften Breakdancern machte einer von ihnen besonders auf sich aufmerksam. Er tanzte etwas professioneller und war gestylt. Seine Garderobe wies nicht unbedingt auf einen armen obdachlosen Schlucker hin, sondern auf jemanden, der zumindest eine Karriere sucht. Wer weiß, vielleicht läuft ja gerade jemand aus Hollywood vorbei. Der Rest proklammierte sich als obdachlos und arm. Man brauche Spenden und lasse jetzt erstmal einen Hut rumgehen. So sang ein junger Russe mit einem furchtbaren russischen Akzent im Hebräischen. Manchmal wußte ich nicht, ob er hebräisch oder auf russisch ins Mikrofon säuselt. Aber da ich einiges verstand, muß es wohl Hebräisch gewesen sein.

Eine bunte Menschenschar hatte sich um die Breakdancer aufgestellt und glotzte. Einige Mädels wurden zu Groupies und liessen ihren eigentlichen Boyfriend stehen, um den Breakdancer zuzuzwinkern. Ob Letztere das tatsächlich wahrnehmen, bleibt etwas dahingestellt, denn neben ihrem Getanze liefen sie mit Bierdosen herum. Kurz genippt und danach mal wieder ein kurzer Kreis auf der Tanzfläche gedreht.

Dann tauchte ein Äthiopier auf, der wie ein Golem wirkte. Vielleicht war er zugedopt. Jedenfalls stand er mitten auf der kleinen Tanzfläche und bewegte sich nicht. Alle dachten, das sei Show und der Äthiopier zeigte sich geehrt bei soviel Beifall. Er stellte sich wieder unter die Zuschauer, drehte sich zu mir um und verlangte einen Schekel (20 Cent).
"Für was ?", fragte ich.
"Na, kannste keinen Schekel entbehren ? Ist doch egal für was".

Ich gab ihm einen Schekel und dachte mir dabei, dass man das anscheinend so macht. Man macht auf Kunst und kassiert ab. Vielleicht weniger auf Kunst aber auf den Augenblick kommt es halt an. Und der Äthiopier kannte seine Augenblicke. Ein paar Minuten später stand er wieder wie ein Golem auf der Tanzfläche und ich stellte mich schnell woanders hin. Ansonsten hätte er garantiert wieder einen Schekel verlangt. Was er übrigens auch tat, nur nicht mehr von mir.

Der junge Russe mit dem schlimmen Akzent wollte das Mikrofon einfach nicht mehr aus der Hand legen und sang unentwegt. Mal auf Russisch und dann wieder auf Pseudo - Hebräisch. Ich suchte das Weite und landete irgendwann bei der, so wie ich finde, besten Performance in der Ben Yehudah.

Immer steht sie an der gleichen Stelle. Als Braut verkleidet wartet sie auf ihren Bräutigam. Platziert auf einer Plastikkiste gibt sie sich unbeweglich. Sie steht da und starrt ins Leere. Neben ihr steht eine weitere Plastikkiste und nebendran hängt auf einem Kleiderbügel ein schwarzes Jacket. Dieses soll derjenige überstreifen, der sich bereit erklärt, der Bräutigam zu sein. Davor steht ein kleines Schild mit der Aufschrift: "Darusch Chatan - Bräutigam gesucht".

Mit einer tollen Schlichtheit schafft es die junge Frau, die Aufmerksamkeit vieler auf sich zu ziehen. Alle stehen gebannt da und warten, wer sich wohl auf die Kiste stellen wird. So manche Clique schubst die Jungen an, sich doch als Bräutigam aufzustellen. "Nee, nee", meinen die nur verlegen.

Aber meistens hat die junge Dame Glück und es stellt sich jemand auf die Kiste neben ihr. Aber auch dann bleibt sie fast unbeweglich oder hat jemand etwas anderes erwartet ?

Die wartende Braut in der Ben Yehudah

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen