Sonntag, 11. Mai 2008

"Schön war's" - Nachtrag zum gerade vorübergegangenen Unabhängigkeitstag

B"H

Nichts belastet meine Nervenstränge mehr als des nachts durchzumachen. Noch nie war ich der Typ dafür, denn mein Hangover zieht sich gewöhnlich lange hin. Das "sich betrinken" spielt hierbei keine Rolle, da nur das Aufbleiben allein mich schon fertigmacht.

Schon lange war es mein Traum, einmal eine ganze Nacht in Tel Aviv durchzumachen und diesen erfüllte ich mir in der letzten Woche am Unabhängigkeitstag. Keiner meiner Freunde wollte dabei sein und so zog ich es allein durch. Beim nächsten Mal weiß ich, was ich diesbezüglich besser machen muß. Und ein nächstes Mal wird es sicher geben.

Der Abend des 60. Unabhängigkeitstages begann gemächlich. Offiziell begann er um 20.00 Uhr, doch Israelis rennen nicht sofort eine Minuten nach 20.00 Uhr los. Man wartet und geht später, denn das hat mehrere Vorteile. Erstens beginnen israel. Feiern kaum pünktlich und wer eine halbe Stunde später kommt, verpasst in der Regel nichts. Und zweitens finden sich die Menschenmassen eh immer erst spät ein.

Während in Jerusalem die Kids mit dem beliebten Schaumspray auf alles sprühen, was sich bewegt, geht es in Tel Aviv ruhiger zu. Fast deutsch gesittet. Kein Gegröhle und Gesprühe, sondern man sitzt im Cafe in der Dizengoff Street. Downtown Tel Aviv ist immer gut zum Feiern und gerade die Dizengoff ist innerhalb der letzten zehn Jahre einem kompletten Wandel unterlaufen. 90 % der heutigen Geschäfte sind nagelneu. Von den Cafes bis hin zum Suschi und dem Mexikaner. Und wenn gefeiert wird, dann ist die Lokalität in den meisten Fällen der riesige Platz vor dem Rathaus. Im November 1995 wurde der damalige Premier Yitzchak Rabin hinter der Rathaustreppe ermordet und seitdem trägt der Platz den Namen "Kikar Rabin - Rabin Platz".

21.30 Uhr (Mittwoch)

Am vergangenen Mittwoch abend strömten die Massen durch die Chen und Gordon Street zum Kikar. Die Stadtverwaltung hatte sich Mühe gegeben und viel Kleingeld investiert. Dekorative Lichterketten verzierten das Event. Die heimische Presse war schon vor Ort und übertrug live in alle Landesteile.

Der erste Teil der Veranstaltung war offenbar für "ältere" Herrschaften gedacht. Soll ich mich da jetzt dazuzählen ?
Die vorgetragenen Lieder spiegelten die israel. Vergangenheit wieder: "Kan ani noladeti" oder "Barba'abba - Ejn kamocha ba'Olam". Danach ging es über zur grandiosen Lasershow mit Feuerwerk. Nur um hinterher wieder bei den älteren Lieder zu landen. Der einstige Grand Priz D'Eurovision Sieger (von 1978) ,Yissachar Cohen, sang was das Zeug hielt.

Nach den älteren Semestern sollte die Jugend an der Reihe sein. Die Sänger Ivri Lieder sowie Dana International wollten große Konzerte geben. Beide waren mir jedoch zuviel auf einmal. Ivri Lieder ist homosexuell und bei Dana International handelt es sich bekanntlich um einen zur Frau umoperierten Mann. Hätte Bürgermeister Uri Lupolianski die beiden in seiner Stadt Jerusalem so laut angekündigt, wäre er sicher von den Haredim gesteinigt worden. Und nicht nur von denen. In Tel Aviv jedoch scheint irgendwie alles wurscht zu sein. Dennoch, schon gleich nach dem Ende der Lasershow zogen die Zuschauer davon und Yissachar Cohen machte gute Miene zum Spiel, denn er bekam kaum Applaus.

24.30 Uhr (Donnerstag)

Ich rückte auch irgendwann ab und machte mich auf den Weg zum Strand. Ein wenig romantische Meeresluft zum Unabhängigskeitstag schnuppern. Die Breslover Chassidim aber kamen dazwischen, indem sie sich durch die Dizengoff tanzten. Drei Kleintransporter rollten an mit installierten Lautsprechern auf dem Dach. Und dann wurde wild auf der Straße zur dröhnenden Techno Music gehopst. Die Breslover sind unbeschreiblich und jeder sollte sie einmal life erleben. Die so als säkuler bekannten Tel Aviver machten größtenweils mit und stimmten euphorisch mit ein. Absoluter Höhepunkt war als die Breslover einen Stadtbus kaperten und auf dessen Dach tanzten.

Aber irgendwann waren auch die Chassidim am Ende und wer nicht gerade auf Konzert am Kikar Rabin machte, der begab sich zum Strand. Beach time und Tausende, meiste junge Leute, bevölkerten den Strand. Die Polizei untersagte das Grillen und so wurde vor dem Strand das Steak auf den Grill geschmissen. Alkohol floß, aber lange nicht übertrieben. Was recht auffällig war – viele philippinische Gastarbeiter feierten mit. Schon am Kikar Rabin waren sie zahlreich vertreten gewesen.

3.30 Uhr (Donnerstag)

Ich nickte auf meinem Sitzplatz am Strand ein. Nichts ging mehr und alle konnten um mich herum feiern wie sie wollten, ich war ausgeschaltet und wachte erst wieder gegen 6.00 Uhr morgens auf. Als ich mich umschaute, lagen da sämtliche Leute schlafend um mich herum. Ich suchte ein Café um zu frühstücken, was nicht so einfach war.

6.30 Uhr (Donnerstag)

Alles war dicht am Feiertag; jedenfalls so früh am Morgen. Ich lief eine ganze Weile bis ich in der Ibn Gavirol auf das "Aroma" stieß. Gegen 7.00 Uhr brannte schon wieder die Sonne und etwas später ging ich zurück zum Strand.

9.00 Uhr (Donnerstag)

Dort wiederum war schon high life und die Polizei hatte die Nebenstraßen gesperrt. Der Armeesender "Galei Zahal" sendete eine Radio – Live – Show und in kürze sollte eine Militärshow starten. Israelis lieben es am Unabhängigkeitstag Armeeshows anzusehen. Kampfflugzeuge und so.

Kaum im Sand angekommen, schlief ich schon wieder ein bis es dröhnend aus den Lautsprechern erschallte, dass nun die Show beginne. Mit Show war nicht viel, denn sechs Fallschirmspringer wurden abgeworfen. Die Zuschauer waren begeistert und aus dem Lautsprecher waren nun Erklärungen zu vernehmen. Was die Fallschirmspringer jetzt taten und welcher Bauart das Flugzeug war. In anderen Worten, mir war furchtbar langweilig und ich begab mich auf den Weg nach Jerusalem. Dort angekommen hörte ich, dass einer der Fallschirmspringer einen Unfall verursacht hatte, indem er fälschlicherweise in der Zuschauermenge gelandet war. Acht Verletzte.

14.00 Uhr (Donnerstag)

Jerusalem war fast tot. Das Wetter war kalt und alle Läden geschlossen. Die Leute schauten griesgrämig und ich mir war sofort klar, dass ich den nächsten Unabhängigkeitstag wieder in Tel Aviv verbringen werde

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