Sonntag, 20. Dezember 2009

Sind wir tatsächlich Herr über unsere Einkäufe ?

B"H

Während meines BWL - Studiums lernten wir, wie sich Marketing am Produktivsten einsetzen lässt. Damals war man noch nicht so bewandert und abgebrüht wie heute und machte eher auf "Product Placement", Farben (Coca Colas ROT soll uns Energie / Dynamik einflössen), Markennamen oder hier und da mal ein kleiner kalorienreicher Naschartikel an der COOP - Kasse, der vor allem Kinder magisch anzieht. Heute hingegen zeigt sich die Werbung wesentlich aggressiver und seit Jahren schon laufen in Israel Spots, welche die Konkurrenz so richtig madig machen. Schon lange bekriegen sich die Handyanbieter Cellcom und Orange und gehen dabei brutal aufs Ganze. Nicht selten benutzen sie in ihren Spots den Namen der Konkurrenz und das man selber viel preiswerter sei. Aktuell ist der Kampf durch das I - Phone wieder neu aufgeflammt.

Seit geraumer Zeit werden selbst die Kleinsten zum Opfer der Werbung und wer einmal kein TV schaut, der bekommt von seinen Kindergartengenossen gleich auf die Nase gebunden, was IN ist und wie man gefälligst zu erscheinen hat. Eltern zeigen sich vielerorts machtlos, sind die doch selbst Opfer der Commercial World.


Auch in der letzten Wochenendausgabe der israelischen Tageszeitung MAARIV kam die Frage erneut auf: "Inwieweit entscheiden wir wirklich über unser Konsumverhalten ? Haben wir alles alleine im Griff und greifen nur nach dem Notwendigsten ?"

Nahe der Küstenstadt Netanya befindet sich die einzige israelische IKEA - Niederlassung und Zeit ihres bestehens (Ikea kam erst vor wenigen Jahren nach Israel) klingeln dort die Kassen und die Kundschaft tritt sich fast über den Haufen.
Der Wirtschaftsteil der Maariv beschreibt, wie gerade Ikea uns alle in eine andere Welt so ganz außerhalb der Realität lockt. Völlig fensterlos steht der Betonklotz in Netanya und beim Herumstöbern wird doch glatt jedes Zeit - und Kontogefühl verloren. Aufwendige farbenreiche Abteilungen und einfiltrierte Düfte lassen uns das Nachdenken allmählich vergessen. "Nehmen wir lieber mehr mit, denn wer weiss, wann wir wieder nach Netanya kommen".

Israelis geben gerne viel Geld aus; besonders für Schnickschnack. Kreditkarten werden zu Hauf gesperrt, die Bank dreht den Scheckhahn sowie das Overdraft (den Dispo) zu, doch nicht wenige Israelis machen weiter. Wenn halt die eine Karte gesperrt ist, kommt die nächste dran. Solange, bis gar nichts mehr geht und schlimmstenfalls das Eigenheim unter den Hammer kommt. Schulden zu haben ist in Israel keine Schande und viele reden offen über ihr Overdraft. "Macht doch jeder, na und ?"

Fussgängerzonen sind schon lange out, dafür die großen Malls (meist) außerhalb der Stadt total in. Keine Farbe, kein Duft, kein Plakat in solch einem Center ist zufällig; alles dient dem Konsum und wer will da nicht mit dabei sein ? Betreten die Tel Aviver Teens das Dizengoff Center, stehen sie einerseits vor der riesigen Castro (israelische Modekette) Niederlassung. Castro ist teuer, doch es muss sein. Diesel, Castro, Fox und neuerdings auch H & M sowie GAP. Dabei befindet sich neben der Castro Filiale in der Allenby Street ein Klamottengeschäft, welches gute Ware zum halben Preis abgibt. Man sollte öfters vorbeischauen und auf seinen Moment warten. Ich bilde mir ein, dass Castro vielleicht ausrangierte Klamotten an den Laden nebenan abgibt.

Als ich noch zu deutschen Zeiten in einer Bank arbeitete, kamen immer die Kunden teuer gekleidet herein, die absolut kein Geld und ein total überzogenes Konto hatten. Unter unserem Kundenstamm gab es nicht wenige Reiche, die in abgefackelten Jogginganzügen eben mal kurz in die Filiale schauten, um etwas Kleingeld (damals noch 20,000 DM) abzuheben. Als ich diese Kunden noch nicht kannte, dachte ich mir von Weitem "Naja, müssen wir wieder in der jeweiligen Filiale des Kontoinhabers anrufen, um abzuchecken, ob derjenige noch 50 DM ausgezahlt bekommt".
Aber nichtsda !
Als sie mir ihre Kontonummern mitteilten und ich das Ergebnis sah, fiel ich fast um. Nie und nimmer hätte ich gedacht, dass derjenige soviel Geld auf dem Konto hat. Die Modepuppen dagegen wackelten zwar mit dem Hintern hinein, gaben sich wichtig und hochnäsig, doch der Dispokredit war mehr als erschöpft und schrie um Hilfe.
Jeder will halt dabeisein beim Konsum. In Israel ist das nicht anders und ich frage mich schon, wo die Leute das Geld hernehmen.
"Leben auf Pump !" lautet das Motto und die Werbung mischt kräftig mit. Am Eingang einer Mall befindet sich oft ein Cafe (Aroma oder Arcaffe) und wer wird da nicht vom frischen Kaffeeduft angezogen. Die Kinder beginnen zu quaken, was ich allein schon in unserer Bäckerei sehe. Eine Mutter mit Kleinkindern vor der Keksauslage in der Bäckerei, das geht nie lange ohne viel Geschrei auf beiden Seiten gut.

Wie also werden wir wieder Herr über unsere Einkäufe ?
Vielleicht nicht allzu viel Geld dabeihmitnehmen, wenn man denn mal ausgeht und sich der Welt der schleichenden Beeinflussung aussetzt.

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