Montag, 17. Mai 2010

Der geräumte Friedhof



Vorgestern abend: Demonstrationen in Mea Shearim / Ge'ulah / Bar Ilan Street (Jerusalem) 


B"H

Im deutschsprachigen Raum haredische (ultra - orthodoxe) Begebenheiten zu erklären, ist alles andere als einfach. Umso schlimmer wird die Angelegenheit, wenn die nichtjüdische Presse oder Juden, die noch nie etwas mit der haredischen Gesellschaft an sich zu tun gehabt haben und meinen, jetzt Erklärungen abgeben zu müssen, nur um sich als so "gebildete" Juden von den Ultras zu distanzieren, um sich der modernen europ. Gesellschaft anzubiedern.

Seit Jahren tobt ein Streit zwischen der israelischen Regierung, der haredischen Beerdigungsorganisation "Chevrat Kadischa" sowie verschiedenen Archäologen.
Das "Barzilai" - Krankenhaus in Ashkelon benötigt dringend den Bau einer neuen hochmodernen Notaufnahme. Daran ist nichts auszusetzen, doch liegt die Baufläche ausgerechnet über einem antiken Friedhof. Die Archäologen sagen, dass dieser Friedhof kein jüdischer sei und dem stimmt sogar das israelische Oberrabbinat zu. Dennoch bestehen Zweifel, ob da nun Juden oder Nichtjuden begraben sind.

Auf einem Friedhof darf halachisch nicht gebaut werden und es bestehen halachische Massnahmen, diesen zu räumen. Die Haredim (Ultra - Orthodoxen) machten dementsprechende Vorschläge, welche von Premier Benjamin Netanyahu ignoriert worden sind. Der Premier vertraute auf die Archäologen und liess den Friedhof gestern mehr als unfachgerecht räumen. Von wahrlichen "Experten" wie wir auf den folgenden Bildern sehen. Einfach lachhaft !

Weitere Photos HIER !


Die Haredim hatten Demos angekündigt und es wurde teilweise wild. Jedoch lange nicht so, wie erwartet. Die haredische Mehrheit demonstrierte friedlich und ein paar Irre flippten aus. Was den Zorn erregt hatte war, dass Netanyahu irgendeinen Anfängerclub zur Bergung und Verlegung der Skelette entsandt hatte. Keine Halacha, kein Rabbiner, niemand wurde konsultiert. Darüber hinaus hatte im Vorfeld der litvisch - haredische Halachaexperte Rabbi Yosef Shalom Eliyashiv erklärt, dass sollte sich es um nichtjüdische Gräber handeln, diese ebenso ein Recht besitzen, halachisch und würdig behandelt zu werden. Dieses Anliegen wurde von der Regierung Netanyahu völlig ignoriert.

Trotzdem geht es hierbei nicht allein um den antiken Friedhof sowie die geplante Notaufnahme des "Barzilai" - Krankenhauses, vielmehr sehen sich die Haredim seit einigen Wochen einer regelrechten antisemitischen Hetzjagd ausgesetzt. Das sollen sie in ihrer Gesellschaft ändern oder jenes. Manchmal erfolgt ein Denkanstoss zurecht, doch wer den Informationsfluss der säkuleren israelischen Presse beobachtet, stellt schnell fest, dass hier Politiker wie Netanyahu oder Zipi Livni Politik auf dem Rücken der Haredim machen und Teile der Bevölkerung auf dumme Art und Weise aufstacheln. Die haredische Gesellschaft hingegen weiss sich zu wehren und wird sich nicht aufgrund einiger flapsiger Floskeln verändern. Orthodoxe Juden sind nicht nur vielen israelischen Politikern ein Dorn im Auge, sondern natürlich auch ausländischen Journalisten.

Was die haredische Gesellschaft verwundert ist die Tatsache, wie die Stadt Frankfurt vor Jahren sorgsam und halachisch unterwiesen mit den Überresten von einem jüdischen Friedhof umging, wohin gegen unsere Regierung sich einen Dreck um Halacha kümmert. Wird aber ein jüdischer Friedhof im Ausland entdeckt, schreit die gleiche Regierung nach Antisemitismus, sobald die Gräber nicht einwandfrei halachisch behandelt werden.

2 Kommentare:

  1. "Im deutschsprachigen Raum haredische (ultra - orthodoxe) Begebenheiten zu erklären, ist alles andere als einfach. Umso schlimmer wird die Angelegenheit, wenn die nichtjüdische Presse oder Juden, die noch nie etwas mit der haredischen Gesellschaft an sich zu tun gehabt haben und meinen, jetzt Erklärungen abgeben zu müssen, nur um sich als so "gebildete" Juden von den Ultras zu distanzieren, um sich der modernen europ. Gesellschaft anzubiedern."

    Kurz mal was zu Deinem Beitrag (sh. oben) !
    Ich lese Deinen Blog schon seit vielen Monaten voller Begeisterung !
    Aber ich möchte doch mal etwas kritisch anmerken : woher nimmst Du das "Selbstbewußtsein", um so manche Klisches über all die ach so ungläubigen Nicht-Haredim/Nicht-Juden zu verbreiten !
    Was ich damit sagen will, es gibt genauso viele "intelligente" Ungläubige wie auch ach so "gläubige" Dummköpfe !
    Aber dessen ungeachtet werde ich auch weiterhin mit größtem Interesse Deinen Blog lesen, bitte mach weiter so !

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  2. B"H

    Dass hat weder etwas mit relig. leben oder nicht etwas zu tun. Vielmehr geht es doch darum, eine Gesellschaft, von der viele Journalisten keine Ahnung haben, dargestellt werden muss. Zumindest dann, wenn es wieder einmal um derlei Demos geht.

    Aber dabei unterscheiden sich dt. Journalisten von ihren saekuleren israelischen Kollegen wenig. Geben wir es doch zu: Was wir lesen sind vielseits Stereotype und wie mir eine mehr als kritische Leserin auf meinem engl. Blog unverhohlen mitteilte: Die moderne Gesellschaft will heute mit schnellen Infos bedient werden und da kommt es kaum mehr auf tiefergehende Hintergruende an.

    Ich weiss nicht, ob Du meine relig. Blogs wie Hamantaschen oder Chassidische Stories liest, doch dort gehe ich mehr als detalliert auf das Thema ein sowie auf mein Leben in der haredischen Gesellschaft, dem Rueckzug und der fortwaherenden Rueckkehr.

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