Montag, 2. Juli 2012

Israels Haredim und die Armee


Eine Familie der chassidischen Gruppe Toldot Aharon / Jerusalem

Copyright / Photo: Miriam Woelke
B"H 

Deutschland befindet sich momentan in eine riesen Diskussion um die Beschneidung und Juden sowie Moslems fühlen sich diskriminiert. Wobei ich, wie in einem Kommentar verfasst, keinen Antisemitismus in dem Kölner Urteil sehe, sondern pure Ignoranz. In Israel hingegen sieht sich momentan wieder einmal eine ganz andere Gruppe vom jüdischen Staat Israel diskriminiert und ausgegrenzt: Nämlich die Haredim (ultra – orthodoxe Juden). 

Und wieder einmal geht es um das Thema: Haredim sollen zur Armee gehen. Innerhalb der letzten Jahre nutzen diverse Politiker immer wieder ausgerechnet das Thema, um sich selbst zu positionieren. Man ist ja sonst kaum in den Schlagzeilen. Für die israelische Presse sind die Ultra – Orthodoxen ein saftiges gefundenes Fressen und es wird gehetzt, was das Zeug hält. Nachrichtensprecher Yaakov E’ilon gab vor ein paar Wochen bei einem haredischen Newsblatt zu, dass die säkulere Presse so gern auf die Haredim abfahre, eben weil die Bevölkerung das gern liest und derlei Themen hohen Absatz versprechen. 

Und so geht es seit Jahren hin und her: Politiker und Presse hetzen und die haredische Presse schlägt zurück, findet aber wenig Gehör. Viele Israelis reagieren mit den üblichen Stereotypen und wenn die israelische Presse hetzt, fühlen sich SPIEGEL, TAZ & Co. auch gleich auf den Plan gerufen. Hier kann man unbesorgt über religiöse Juden hetzen, denn die israelische Presse tut es ja auch. 

Ein Schlagabtausch jagt den anderen, doch wer genau kennt eigentlich die Seite der Haredim ? Wer interessiert sich dafür ? 

Einige Leutchen schon, denn mehrere Male sass ich gerade mit Deutschen zusammen und wurde von von ihnen ausgefragt. Sei es, weil jemand eine Unistudie durchführte, einen Film drehen will oder ein Buch verfasst. Fehler will man bei seiner Recherche nicht machen und auf die sonstige Pressedarstellungen ist kein Verlass. 

Ich selber war einmal Teil der haredischen Gesellschaft, beschäftige mich auf meinen relig. Blogs mit dem Thema. Einem Thema, was mich niemals verlassen hat und ich mich immer noch still und heimlich frage, warum ich nicht mehr Teil der sogenannten Ultra – Orthodoxen bin, wo ich doch eigentlich immer noch dabei bin. Jedenfalls in Bezug auf meine Schreiberei und mein Freundeskreis besteht zu einem großen Teil aus Haredim. Bei den Haredim bin ich, bis zu einem gewissen Grad, die Abtrünnige und bei den anderen die Fanatikerin. 

Dann bin ich jetzt einmal richtig fanatisch und sage, dass mir das Thema mit der Armee bereits zu den Ohren herauskommt. Es nervt, immer wieder rechtfertigen zu müssen und Gründe aufzulisten. Dann ist das Thema abgehakt und nach ein paar Monaten holt es die Politik wieder neu hervor und dann geht das Blabla von vorne los, ohne jemals zu einer Lösung zu kommen, die es sowie so nicht gibt. 

Die Mehrheit der Ultra – Orthodoxen gehen nicht zur israelischen Armee, weil sie nicht unbedingt zum Staat Israel stehen. Nein, nein, nicht Neturei Karta und in den Iran fahren und gegen Israel hetzen. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe und hoffentlich kommen jetzt SPIEGEL & Co. nicht wieder mit falschen Behauptungen daher. Die absolute Mehrheit der Haredim ist bestimmt nicht Neturei Karta, denn die NK ist haredisch - intern verhasst wie kaum eine andere Richtung. 

Das haredische Judentum ist in mehrere Gruppen aufgespalten und wer behauptet, alles im ultra – orthodoxen Mea Shearim (Jerusalem) sei voll antizionistisch, der weiss nicht, was er sagt. 

Wie soll man einem Außenstehenden das nur alles klarmachen ? Wer kann noch unterscheiden zwischen diversen Ausrichtungen und wer wer und was ist ? Gibt es denn nicht Haredim in der zionistischen Knesset ? Wie das ? Und dienen nicht einige Chabadnikim in der Armee, obwohl Chabad – Lubawitsch doch eigentlich der Antizionismus in Person ist ? 

Ups, wie kann denn das sein ?


Quelle: Chadrei HaCharedim

Link:

Nachal HaCharedi (Haredim in der israelischen Armee)

Die richtigen Antizionisten wie die chassidischen Gruppen Toldot Aharon oder Satmar würden niemals zur Armee gehen. Beide Gruppen sind keine Neturei Karta und die Neturei Karta ist keine chassidische Gruppe ! Außerdem vertreten die Toldot Aharon im Bezug auf den Antizionismus eine wesentlich andere Position als die Neturei Karta. Die der Belzer Chassidim ist wieder anders und nicht zu vergessen die Position der sephardischen Haredim unter Rabbi Ovadia Yosef. 

Und wer steigt jetzt da noch durch ? 

Ein Außenstehender sicherlich nicht und ein paar mal habe ich es erlebt, dass diejenigen Personen, die mich befragten, nach einer Stunde noch immer nichts unterscheiden konnten und ratlose Gesichter schauten mich an. 

Hä ????? 

Deswegen mache ich es kurz: Der Staat Israel wird aus vielerlei Gründen nicht die angedrohten Sanktionen gegen die haredische Bevölkerung ausrufen. Darüber hinaus bin ich dafür, dass viele Haredim zur Armee gehen sollten, doch dafür muss der notwendige Rahmen geschaffen werden. Das aber will die Armee offenbar wieder nicht und so dreht sich alles im Kreis. Bis zur nächsten Diskussion und so weiter und so weiter …

Links:



Warum stieg Tanya Rosenblid in einen haredischen Bus ? 

Deutsche Journalisten stehlen meine Bloginhalte

2 Kommentare:

  1. Ist es nicht auch vor allem ein finanzielles Problem?

    Abgesehen von den Spenden aus Nordamerika, wird ja sehr viel an Steuergeldern ausgegeben, die den Lebensstil vieler Haredim überhaupt erst möglich machen.

    Da kann ich das dann schon nachvollziehen, dass sich die arbeitende/dienende Mehrheitsbevölkerung diskriminiert fühlt.

    Wobei es meiner Meinung nach schon einen gravierenden Widerspruch darstellt, Geld von einem Staat anzunehmen, den man eigentlich garnicht wirklich anerkennt?

    Auf ewig wird man dieses Ungleichgewicht kaum aufrecht erhalten können. Das sagt einem schon einfache Mathematik.

    Es wird ja auch viel auf News-Seiten diskutiert, statt einen Armeedienst einfach einen nicht-militärischen National/Civilian Service für die Haredim einzuführen. Warum wird das nicht genauer in Betracht gezogen?

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  2. B"H

    Bei richtig antizionistischen Gruppierungen wie Toldot Aharon, Toldot Aharon Yitzchak, den Mishkenot HaRo'im oder der kleinen Chassidut Dushinsky wird kein einziger Schekel vom Staat Israel akzeptiert. Man finanziert sich grundweg selbst von Spenden anderer Gruppen aus den USA und Kanada. Es gibt genuegend reiche relig. Juden, die viele Gelder spenden.

    Ich kenne Leute von Dushinsky und die sagten mir, dass man sich schon aus dem Grund selber finanziere, weil die Gruppe nicht vom staatlichen Bildungswesen abhaengig sein will. Ergo, das Schulsystem in Dushinsky und anderswo bestimmt der Rebbe selbst.

    Gruppierungen, die Gelder annehmen, wie Gur, Belz oder die Slonim, machen sich automatisch auch vom Staat abhaengig und muessen demnach einem gewissen Bildungswesen folgen, was sich, im Fall der Slonim, als fatal erweisen kann. Die chassidische Gruppe hatte vor ca. zwei Jahren ein riesen Theater in einer haredischen Siedlung als man keine sepahrdischen Schuelerinnen in das Slonim Maedchenseminar aufnehmen wollte.

    Es ist also oft falsch zu sagen, Haredim als Ganzes nehmen Geld vom Staat. In vielen Faellen stimmt dies nicht. Auch nicht bei der Neturei Karta.

    Selbst wer Geld nimmt, der fuehrt gewiss keinen tollen Lebensstil. Im Gegenteil: Die Verarmung vieler Haredim in Bnei Brak und Jerusalem ist extrem. Alles kostet Geld und die Gehaelter sind nicht so doll.

    Viele Haredim arbeiten und man schaue sich nur in der Stadt Bnei Brak an, wo alles von ihnen geleitet wird. Von der Polizei bis hin zum Supermarkt um die Ecke.

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