Donnerstag, 2. Juli 2009

"Sagur" heißt "Geschlossen"

B"H

Israelis sind den Umgang mit ihresgleichen gewohnt. Jeder vermag so ziemlich schnell zu analysieren, mit wem er es zu tun hat. Neueinwanderern fällt eine gewisse israelische Mentalität erst gar nicht auf. Getreu glauben sie alles, was präsentiert wird, was wohl auch mit den oft fehlenden Sprachkenntnissen zu tun hat.

Am Anfang meiner Bäckereizeit lief ich so manches Mal in die sarkastische Ironiefalle der Kollegen. Besonders sephardische Mitarbeiter amüsierten sich köstlich über den deutschen Leistungs - und Gehorsamswillen.

Ja, ja, jetzt geht es wieder gegen die Deutschen ! Oi veh !


Ehrlich gesagt, wer in Deutschland lebt, dem fallen die dortigen Eigenheiten nicht als Eigenheiten auf, sondern man betrachtet alles als normal, ohne darüber nachzudenken. So stellt man nicht unbedingt die Anordnung eines Vorgesetzten in Frage, es sei denn, sie ist so ziemlich daneben. Deutschland funktioniert perfekt und das ist es, was Ausländer an Produkten "Made in Germany" so lieben und bewundern.
In Israel ist es oft das Gegenteil. Nicht nur, dass gewisse Erzeugnisse nach ein paar Stunden zu Bruch gehen; nein, auch die Angestellten mockieren sich ausreichend.

"Was ? Wozu soll ich das jetzt machen ?"

Israelis wissen haargenau wie sie Situationen umgehen können. Wenn Arbeit droht, wird gerne auf einen anderen abgeschoben und geraten zwei derlei Schiebende erst einmal aneinander, nimmt die emotionale Krise ihren Lauf. Als Neuankömmling im Land ist man mit dieser "Schiebetaktik" wenig bis kaum vertraut und wer nicht aufpasst, steht am Ende mit allen Arbeiten da, welche die anderen nicht erledigen wollen. "Freier" nennt man dies in der hiesigen Umgangssprache.

Ich bedaure schon fast jeden Neueinwanderer, wenn er Israelis gegenüber im Customer Service auftritt. Nicht nur am Telefon, sondern vor allem live. Als Verkäufer, Kellner, etc.
In derlei Jobs fühlt man sich in die Hölle versetzt. Quakende Kunden, die da auf ihr Ego - Recht pochen: "Du Maniak !"
(Maniak vom englischen Wort Maniac ist der beleidigenste Ausdruck für das dt. Wort "geisteskrank").

Israel funktioniert nach Regeln und die Regeln werden von allen eingehalten, nur nicht von MIR ! - So das weit verbreitete Faustrecht.

Schließt unsere Bäckerei abends um 21.00 Uhr die Türe, klopft es oftmals noch bis nach Mitternacht oder wir werden mit Anrufen bombardiert.

"Nehmt Ihr noch Bestellungen auf ?"

"Nee, oben backt schon die Nachtschicht und die Teigmenge ist vorbereitet und abgemessen. Keine zusätzlichen Bestellungen mehr. Bestell in der nächsten Woche und halte den Termin ein".

"Ich will aber das Brot morgen abholen".

"Dann komm in den Laden und schau was da ist".

"Ich brauche aber meine Menge und will bestellen".

"Nein", und aufgelegt.


Nach Ladenschluß hämmert es an der Türe.

"Lass mich in den Laden, ich will schauen, was noch für Brot da ist !"

"Wir haben geschlossen. Komm morgen früh".

"Ich brauche aber jetzt Brot und was für Kuchen habt Ihr denn".

Danach beginnt das Übliche. Allerlei Spielchen einen doch noch zum Aufmachen zu bewegen. Solche stürmische Kundschaft wird ignoriert und nach wenigen Minuten ziehen sie sich zurück.

Dass die Kundschaft auf die Angestellten losgeht oder der Boss auf die Angestellen oder Kundschaft, ist nichts Ungewöhnliches. Man kann schon einmal mitten im Laden heruntergemacht werden.

Unser Manager mitten im Laden zu einer Verkäuferin:

"I. wenn es Dir hier nicht passt, da ist die Tür !"

Es ist nicht einfach, in den israelischen Joballtag integriert zu werden. Zu sehr entstehen vielerseits Mißverständnisse; meist aufgrund der erst zu erlernenden Sprachkenntnisse. Und jeder Neueinwanderer bringt sein eigenes Päckel mit und ist anderweitige Mentalitäten gewohnt.

Ich sehe mich nicht als Besserwessi im Ausland und ziehe nicht meine "in Deutschland ist das aber so - und - so" - Show ab. Vielleicht hat mich das vor einigen negativen Reaktionen in Israel bewahrt. Man kommt nicht hier ins Land und weiß alles besser, sondern muss sich erst einigen Respekt erarbeiten. Viele Situationen sollten nicht verbissen, sondern mit Humor genommen oder ganz einfach ignoriert werden.
Wortklauberei und große Diskussionen ?
"Chaval al HaZeman" wie wir hier sagen.
"Schade um die Zeit". Interessieren tut es sowie so keinen.
"Rede konstruktiv und nerve nicht herum !"

Man lernt schnell, was man zu sagen hat und wie; und wer dies nicht tut, der ist in Israel entweder fehl am Platz oder auf ewig unzufrieden.
Ein Neueinwanderer wird die Gesellschaft nicht verändern, denn morgen schon verlangen weitere 20 Leute Einlaß nach Ladenschluß.

Trotz SAGUR =



Photo: Blog.de

4 Kommentare:

  1. Hey.. Na du? wie gehts dir? Ewig nicth mehr vorbeigeschaut... Bei dir alles ok?

    hmm... also das mit dem "in deutschland macht man das so..." das is eine seeeeehr gute moeglichkeit
    sich ahnungslos zu stellen ;-)

    Versuchs doch mal wenn du mal lust
    hast eine arbeit nicht zu machen :-)

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  2. B"H

    Long time, so see - was nicht nur meine Schuld ist.:-))))

    Ich mache laengst nicht alle Arbeiten, die mir aufgetragen werden und finde genauso tolle Ausreden wie die Kollegen auch.:-)))

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  3. wie gehts dir denn? alles ok?
    ja ich weis war etwas selten on in
    letzter zeit aber ich werd jetzt
    sicher wieder oefters vorbeischaun :)

    hmm.... du solltest mal eine liste
    von guten ausreden in deinen blog
    stellen. weist du solche die in
    israel funktionieren.... da sind
    dir sicher viele einwanderer
    dankbar :-)

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  4. B"H

    Ausrede Nr. 1:

    "Chefetz Chashud - Ein verdaechtiges Objekt bzw. Bombenalalrm". Das funktioniert immer, wenn man sich verspaetet. Jedenfalls in Israel.

    Es sind nicht immer die Ausreden, sondern eine besondere Verhaltensweise, die sich kein Deutscher erlauben taete. :-)

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